Manchmal weiß ich nicht, was ich glauben soll. Selbst Männer und Frauen der Kirche verunsichern mich. Manche stellen sogar den Kreuzestod und die Auferstehung Jesu infrage. Kann man Gottes Wort denn noch in irgendeiner Weise als verbindlich annehmen? Sind Gottes Zusagen an uns wirklich so gemeint?
Lieber Ratsuchender, liebe Ratsuchende,
in dem folgenden Bibeltext stellt sich Gott in einer fast Angst machenden Unbedingtheit vor: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist (Johannesevangelium 1,1-3).
In verblüffend stringenter Weise stellt uns die Heilige Schrift vor Augen, dass das Wort nicht nur von Gott zeugt, Ihn nicht nur offenbart, sondern die Bibel sagt, dass es Gott selber ist! Zu diesem Wort bekennt sich Gott so stark, so intensiv, dass er sagt: „Das bin ICH!“ Wenn wir von „Gottes Wort“, von Bibel sprechen, sprechen wir von Gott! Und wenn wir Wort Gottes kritisieren, misstrauen, anzweifeln, dann misstrauen wir Gott! So unmittelbar ist das miteinander verbunden und aufeinander bezogen!
Ich habe kürzlich den Satz gelesen: „Sprache schafft Realität!“ Auch die Sprache und Ansprache Gottes an uns? Und nun kommt dieses unbedingte Wort Gottes im 91. Psalm mit seinen verbindlichen Zusagen auf uns zu. Es bringt zum Ausdruck, was früher offensichtlich gegolten hat. In diesem Psalm werden in den Versen 14-16 die Voraussetzungen genannt, unter denen die Zusagen Wirkung zeigen. Ich will deshalb die Reihenfolge einmal umstellen: Verse 14-16 und dann von Vers 1-13:
Er liebt mich, darum will ich ihn erretten; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen. Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; / ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen. Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil (Psalm 91, 14-16).
Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem HERRN: / Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der verderblichen Pest. Er wird dich mit seinen Fittichen decken, / und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild, dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht, vor dem Pfeil, der des Tages fliegt, vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt. Wenn auch tausend fallen zu deiner Seite / und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen. Ja, du wirst es mit eigenen Augen sehen und schauen, wie den Frevlern vergolten wird. Denn der HERR ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht. Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird sich deinem Hause nahen. Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest. Über Löwen und Ottern wirst du gehen und junge Löwen und Drachen niedertreten (Psalm 91, 1-13).
Wunderbare Zusagen galten damals! Galt Gottes Wort und seine ernstzunehmenden Zusagen wirklich nur damals? Ich vermute, einigen ergeht es, wie mir: Ich bin voller Fragen. Ich habe in letzter Zeit viel gelesen, Informationen zusammengetragen. Mir ist von Fjodor Dostojewski die Geschichte des Großinquisitors aus „Die Gebrüder Karamasow“ wieder in die Hände gefallen. Dieser Großinquisitor, der dem im Kerker sitzenden Jesus triumphierend vorhält (in meinen Worten wiedergeben): „Du hast ihnen Freiheit erwirkt durch Deinen Tod. Aber damit können sie nichts anfangen. Sie werden uns ihre Freiheit zu Füßen legen! Sie werden an Deinem Scheiterhaufen noch das Holz nachlegen!“ Dostojewski muss ein unglaublicher Menschenkenner gewesen sein, der in dieser Geschichte (etwa 27 Seiten) das Wesen des Menschen drückend beschreibt: Der Mensch, von Gott ausgestattet mit Würde und Freiheit, wird, wenn es darauf ankommt, die Sicherheit wählen zuungunsten der Freiheit.
Die Verhältnisse waren halt so, schreibt der Schriftsteller Heinrich Böll. Seinem Buch mit dem Titel „Wo warst du, Adam?“ stellt er ein Zitat von Theodor Haecker voran, das folgendermaßen lautet: „Eine Weltkatastrophe kann zu manchem dienen. Auch dazu, mein Alibi vor Gott zu finden: „Wo warst du, Adam?“- „Ich war im Weltkrieg.“
Die Situation war da eben so. Die Verhältnisse, die Bestimmungen, die Verpflichtungen, die Befehle… Ich konnte ja nicht anders, ich musste doch, ich durfte doch nicht….Alle anderen haben doch auch…Was, wenn ich mich geweigert hätte? Aber auch: Ich hatte doch Angst, wusste nicht, was auf mich zukommt an Bedrohungen. Dann hätte ich dran glauben müssen, wäre ich bestraft worden, wenn ich die Befehle nicht ausgeführt hätte. Es haben doch alle mitgemacht, ich konnte mich doch nicht ausschließen. Und eben auch: Es ist ja nicht für mich, sondern immer nur für die anderen! – Wirklich? Ich will Gott bitten mit Psalm 139,23: Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine. Ich selber bin dazu oft nicht in der Lage.
Amen.
Andacht: Folkard Wunderlich