Beim Laufen knirscht jeder Schritt. Das Sonnenlicht lässt die leichte Schneedecke glitzern und zaubert ein Lichterspiel in die Landschaft. Es ist total windstill. Ich empfinde diese Atmosphäre berührend, denn sie strahlt tiefen Frieden aus. Neben mir läuft meine geliebte Frau, und ich bin glücklich.
Gleichzeitig ist heute Totensonntag. Vielen wird gerade heute erneut bewusst, was der Verlust eines Menschen in Ihnen ausgelöst hat. Die Trennung ist endgültig. Herausgerissen aus dem Leben – das Alter spielt eigentlich keine Rolle, denn es ist immer zu früh.
Und nächste Woche beginnt die Adventzeit. Eine Zeit, die mit besonderen Gefühlen, Harmonie, Wärme, Familien- und Freundezeit in Verbindung gebracht wird. Gleichzeitig eine Zeit voller Stress, denn Erwartungen müssen erfüllt werden.
Gerade Menschen, die sich nicht in der Lage sehen, diese Erwartungen zu erfüllen oder die durch Verlust eines Menschen eine große Lücke spüren, ist die Weihnachtszeit eine bedrückende Zeit.
Die Weihnachtszeit wird heute als Ausdruck individualisierter Zuneigung, der Steigerung von Lebensfreude oder der Hoffnung auf ein erfreuliches Miteinander verstanden. Und sollte das gewünschte Ergebnis nicht erzielt werden, dann ist daran der Weihnachtsmann oder das Christkind schuld.
Dabei erinnern wir uns zu Weihnachten an das Kind in der Krippe. Gott wurde ein Kind, ein Baby – ein Wesen, welches Schutz und Hilfe existentiell benötigt. Hilflos mitten in der Nacht kommt es bei einer obdachlosen Familie auf die Welt. Dieses Kind ist darauf angewiesen, dass es ausreichend versorgt wird.
Wenn ich mich diesem Kind nähere, dann geht es also gar nicht darum, was ich bekomme, sondern was ich geben kann, damit benötigte Hilfe wirksam werden kann.
Später wird Jesus in seiner Predigt zum Weltgericht antworten: „Ich versichere euch: Diese Menschen in Not gehören zu meiner Familie. Alles, was ihr an Gutem für sie getan habt, das habt ihr damit auch für mich getan!“ Matthäus 25,40 (Übersetzung Das Buch)
Weihnachten fordert uns immer wieder heraus, zu erkennen, wie reich wir beschenkt sind, zu erkennen, wodurch wir tiefen Frieden bekommen können.
Weihnachten lenkt unseren Blick auf die, die Lücken in ihrem Leben akzeptieren müssen und die in ihrer Hilflosigkeit auf Wärme und Zuwendung hoffen.
Heute ist Totensonntag. In unsere Nacht kommt Gott – in der gleichen Hilflosigkeit, wie wir sie verspüren. Doch er bleibt nicht hilflos. Sein Reich wächst, indem Menschen sich zur Verfügung stellen und Liebe und Wärme verschenken.
Beim Laufen knirscht jeder Schritt. Doch ich spüre schon die wohltuende Hitze des Sommers im Herzen.
Text: Gerald Hoffmann
Foto: Gerald Hoffmann