Es gibt diese Tage, da spürt man den Bruch. Etwas ist nicht heil. Vielleicht im eigenen Leben.
Vielleicht im Blick auf die Welt. Vielleicht nur als Gefühl – aber es ist da.
Und dann plötzlich – mitten in dieses Gefühl hinein – steht da eine Blume.
In einer Mauerritze.
Zwischen Asphaltplatten.
Sie hätte dort nicht wachsen sollen – und doch tut sie es.
Trotz allem.
Vielleicht ist genau das die wahre Stärke:
Nicht das Perfekte, sondern das Unmögliche, das dennoch gelingt.
Nicht das glatte Leben – sondern das gebrochene, das trotzdem blüht.
Wir leben in einer Welt, in der vieles nach „heile Welt“ aussieht:
Social Media. Werbung. Erfolgsgeschichten.
Aber das wahre Leben hat Risse.
Und genau da geschieht manchmal etwas Überraschendes.
Da, wo wir schwach sind, werden wir weicher.
Da, wo wir zerbrochen sind, kommen andere näher.
Da, wo nichts mehr funktioniert – kommt vielleicht etwas Neues ins Spiel.
Lennard Cohen hat in seinem berühmten Song „Anthem“ den Satz formuliert:
„Es gibt einen Riss, einen Riss in allem, / nur so kommt Licht hinein.“
Ist es Gott? Ist es Leben? Ist es Zufall?
Vielleicht ist es alles davon. Vielleicht ist es ein Geheimnis.
In einem alten Brief steht ein Satz, der mich sehr berührt:
„Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2. Korinther 12,9)
Nicht in den Starken. Nicht in den Erfolgreichen.
Sondern in den Gebrochenen.
Das ist radikal – und vielleicht ein ganz anderer Blick auf Gott:
Nicht der, der fordert.
Sondern der, der begleitet.
Nicht der, der uns perfekt haben will – sondern der, der uns im Unperfekten findet.
Vielleicht ist dieser Mai ein Moment, neu hinzusehen.
Wo blüht in meinem Leben etwas – trotz allem?
Was ist meine „Mauerblume“?
Wo habe ich vielleicht längst aufgegeben – und doch wächst etwas?
Man muss nicht alles glauben, um sich berühren zu lassen.
Vielleicht reicht es, offen zu sein.
Für die Schönheit.
Für das Blühen.
Für das Unerwartete mitten im Bruch.
Gott, wenn du da bist, dann zeig dich im Zerbrochenen.
Nicht im Glanz, sondern in der kleinen Blume im Beton.
Lass uns spüren:
Wir müssen nicht perfekt sein.
Du bist da – in allem, was trotzdem lebt.
Text: Gerald Hoffmann
Foto: Matthias Gottke