Ich wache am Morgen auf und schaue aus dem Fenster: Schnee. Auf Dächern, auf dem Feld, auf dem Auto liegt er weiß und kalt. Dabei sind wir vorgestern noch spazieren gegangen und haben in den Vorgärten die Schneeglöckchen angeschaut. Wir haben die Sonne genossen und uns auf den Frühling gefreut. War unsere Vorfreude töricht?
Als wir die ersten Schneeglöckchen entdeckten, wussten wir, dass noch zwei Monate vergehen würden bis es dauerhaft warm werden wird. Aber in diesen zwei Monaten wird viel geschehen. Nach den Schneeglöckchen blühen die Märzenbecher auf, dann die Krokusse. Der Schnee heute Morgen ist kein Rückschlag für den Frühling. Er schiebt nicht den Sommer weiter in die Zukunft.
Wir sehnen uns nach Gott. Wir warten darauf, dass Gott in unser Leben eingreift und alles zum Guten wendet: Schmerzen in Lebensfreude, Krankheit in Schaffenskraft, Einsamkeit in Geborgenheit, Beschämung in Erleichterung. Jesus möchte unsere Zuversicht darauf stärken. Deshalb vergleicht er das Kommen des Reiches Gottes mit dem Wechsel der Jahreszeiten: Wenn seine Zweige jetzt saftig werden und Blätter treiben, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. (Mat 24, 32)
Aber woran können wir erkennen, dass Gott nicht untätig ist? Was sind die „Schneeglöckchen“, die uns ankündigen, dass Gottes Herrschaft unsere Welt heil machen wird? Als Jesus nach so einem Hinweiszeichen gefragt wird, erwähnt er den Propheten Jona (Mat 12,39.40). Die Bibel erzählt dessen Geschichte. Jona war im offenen Meer über Bord gegangen und von einem Fisch verschluckt worden. Das hatte ihn zwar vor dem Ertrinken gerettet, aber jetzt sitzt er im dunklen Fischbauch gefangen. Dass er bereits auf dem Weg in die Sonne ist und dass ihn der Fisch nach drei Tagen auf festes Land ausspucken wird, weiß Jona nicht. Das wissen nur wir, die wir seine Geschichte im Nachhinein lesen.
Jesus verbindet die Rettung des Propheten Jona mit seinem eigenen Schicksal. Dass Jesus an einem Kreuz stirbt, erschien seinen Jüngern unerbittlich und unumkehrbar. Aber Gott rief Jesus zurück ins Leben, am dritten Tag. Für uns heute ist Jesu Auferstehung ein Ereignis, auf das wir zurückblicken können. Sie ist das Zeichen dafür, dass unser Leben nicht unvermeidlich in Richtung Tod, Enttäuschung und Vergänglichkeit läuft. Nein, das Reich Gottes hat begonnen. Wenn jemand in der Bibel hoffnungsvolle Gedanken entdeckt, wenn er mit anderen Christen zusammen ist, oder wenn er im Gebet mit Gott redet, dann erlebt er ein Stück der Realität Gottes.
Das Reich Gottes bestimmt unsere Wirklichkeit und wird sich durchsetzen, genauso wie der Sommer mit Sonne, Wärme und üppig grüner Natur kommen wird. Der Frühling beginnt, auch wenn heute Morgen wieder Schnee liegt. Immerhin, die Schneeglöckchen blühen schon.
Text und Foto Simon Krautschick